Frankie by Michael Köhlmeier

Frankie by Michael Köhlmeier

Autor:Michael Köhlmeier [Köhlmeier, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2023-02-02T23:00:00+00:00


4

Er setzt sich neben mich, nimmt mein Kinn zwischen Zeigefinger und Daumen, mit dem Rücken der anderen Hand streicht er über meine Wange. »Wächst schon etwas? Lass sehen!« Er dreht mein Gesicht in die Sonne. »Glatt wie ein Kinderarsch. Ich bring dir das Autofahren bei. Das ist nicht schwerer als Schachspielen. In einer Stunde kannst du es. Außer du bist derselbe Trottel wie alle anderen. Bei mir kostet die Fahrstunde nichts. Bei mir kostet gar nichts irgendetwas. Bei mir ist alles umsonst. Auch die Rasur. Alles gratis.«

»Mama hat zehnmal angerufen«, sage ich. »Warum hast du nicht abgenommen?«

Er hört mir nicht zu. »Ich zum Beispiel habe keinen Führerschein. Und ich bin seit achtzehn Jahren nicht mehr gefahren. Und jetzt musst du mir eines sagen: Kann er es noch, oder kann er es nicht?«

»Warum hast du nicht abgenommen?«

Er will mir nicht zuhören. »Weißt du, wie ich es gelernt habe? Ohne Lehrer. Rein durch Zuschauen. Das glaubst du nicht? Ich wette, wenn du mir eine Stunde lang genau zuschaust, dann kannst du es auch. Lass mich, verdammt nochmal, ausreden! Du musst nur ganz genau auf meine Hände und meine Füße schauen. Und genau auf den Motor hören. Wenn er zu tief brummt, schaltest du herunter, wenn er aufheult, schaltest du hinauf …«

»Opa!«, unterbreche ich ihn. »Kannst du mir bitte zuhören!«

»Aber ich bin nie herumgefahren. Nie einfach nur in der Gegend herumgefahren. Immer habe ich jemanden irgendwohin gefahren oder habe etwas abgeholt, immer geschäftlich. Warum hat man ein Auto, wenn man nie einfach nur herumfährt?«

»Bist du taub!« Ja, ich schreie. »Ich habe dich gefragt, warum du nicht abgenommen hast!«

»Ich weiß nicht, wie bei diesem beschissenen Ding Abnehmen geht. Da ist kein Knopf. Schnauz mich nicht an! Ich bin von gestern. Weißt du das nicht?«

»Ruf sie zurück!«, sage ich. »Das bist du ihr schuldig. Du bist ihr Vater. Das ist blöd, dass ich dir das sagen muss.«

»Das ist ein Zirkus!«, antwortet er und spricht mit so viel Luft, dass ich ihn kaum verstehe. »Mach aus mir keinen Tanzbär, Frankie, tu das nicht!«

»Hallo jetzt!«, versuche ich, großartig vernünftig zu tun. »Du bist mein Großvater, du hast Verantwortung für mich. Ich bin minderjährig. Du kannst mir ja erzählen, dass du mit vierzehn bereits deine erste Bank überfallen hast, aber ich bin ein normaler Vierzehnjähriger …«

»Mit dem Rauchen habe ich angefangen. Aber schon mit dreizehn.«

»Was tun wir als Nächstes? Das will ich von dir wissen. Ich will nach Hause!«

»Dir Autofahren beibringen und dann frühstücken, das will ich«, sagt er. »Das tun wir als Nächstes«, und spricht dabei langsam, was mir ein bisschen unheimlich ist, das gebe ich zu, als wäre alles, was er redet, eine Einleitung zu etwas, wie soll ich sagen, zu etwas eher Grausigem. »Und mit Marlboro, nein, Frankie, mit Marlboro habe ich nicht angefangen. Die wären viel zu teuer gewesen. Mit Dreier, Frankie. Austria Drei. Die Schachtel flach, grünlich, nur Pappe, schau mich an, wenn ich mit dir rede, du kleiner Scheißer, kein Silberpapier, kein Zellophan, ich erzähl dir aus meinem Leben, verstehst du, also



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